Fristlose Kündigung gerechtfertigt?
Veröffentlicht von Michael Kuhn · 16 Juni 2021
Vorgesetzte als „Ming-Vase“ bezeichnet
Ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt?
In einem aktuellen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin
(Aktenzeichen 55 BV 2053/21) vom 05.05.2021 ging es um die Klärung der Frage,
ob die Bezeichnung einer Vorgesetzten als „Ming-Vase“ einen fristlosen
Kündigungsgrund darstellen kann.
Vorgenannte Frage hatte sich in einem Berliner Kaufhaus mit
internationalen Kunden aufgetan, nachdem eine Verkäuferin in Anwesenheit eines
Vorgesetzten diesem mitteilte: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die
ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der
Ming-Vase.“ Der anwesende Vorgesetzte fragte in Bezug auf die „Ming-Vase“ nach.
Die Beschäftigte erklärte, was sie damit sagen wollte: „Na, Sie wissen schon,
die Ming-Vase“, und zog sich dabei die Augen mit den Fingern nach hinten, um
eine asiatische Form der Augen zu imitieren.
Das veranlasste ihren Arbeitgeber dazu, die Mitarbeiterin in
einer Anhörung zu dem Vorfall nochmals konkret zu befragen. Hierbei erklärte
sie, dass eine Ming-Vase für sie einen besonders schönen und wertvollen
Gegenstand darstelle und dass das Imitieren der asiatischen Augenform nur
deshalb erfolgt sei, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen. Bei Kunden mit schwarzer
Hautfarbe würde sie den Begriff „Herr Boateng“, verwenden, weil sie diesen toll
finde.
Der Mitarbeiterin sollte daraufhin gekündigt werden. Da sie
Mitglied im Betriebsrat war, war dazu die Zustimmung des Betriebsrats
erforderlich, die dieser jedoch verweigerte. Das Amtsgericht Berlin kam in
einem sogenannten Zustimmungsersetzungsbeschluss zu dem Ergebnis, dass die
Zustimmung zur Kündigung zu ersetzen ist, also erfolgen konnte.
Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung, da er zwar den
Rassismus auf das schärfste verurteilen würde, bei der Betroffenen allerdings
ein solches Gedankengut nicht mal ansatzweise erkennen könne.
Das Arbeitsgericht Berlin indes kam zu der Überzeugung, dass die Bezeichnung
der Vorgesetzten mit den Worten „Ming-Vase“ eine rassistische Äußerung
darstellte, die die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf
berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeber verletze. Die Richter
stellten entscheidend darauf ab, dass in der Bezeichnung „Ming-Vase“ eine
erhebliche Herabwürdigung der Vorgesetzten zu sehen war. Weiter sei es nicht
hinnehmbar, dass die Verkäuferin, die als Aushängeschild im täglichen Kontakt
mit dem internationalen Publikum verkehre, die Kundschaft wahlweise mit
„Ming-Vase“, „Herr Boateng“ oder mit sonstigen zur Abwertung geeigneten Formulierungen
bezeichnen würde.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben. Ob die Beschwerde eingelegt
worden ist oder nicht, war zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Artikels noch
nicht absehbar.
Michael Kuhn
Rechtsanwalt aus der Kanzlei Rechtsanwälte BÜNTE & KUHN
in Bürogemeinschaft mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Verkehrsrecht und
Vertragsrecht.
Foto: Adobestock, auremar
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