Rechtswirksam?
Veröffentlicht von Michael Kuhn · 1 Dezember 2019
Winterlich
eingeschneite Verkehrsschilder, rechtswirksam?
Die
Winterzeit steht vor der Tür. Das bedeutet für Verkehrsteilnehmer,
dass wir uns wieder im Straßenverkehr auf besondere Wetter- und
Witterungsverhältnisse einzustellen haben.
Insbesondere
gilt unter anderem die situative Winterreifenpflicht d.h., dass bei
solchen Straßenverhältnissen, die winterlich sind, also bei
Glatteis, Schneematsch, Eisglätte und Schneeglätte etc. eine Fahrt
nur mit Winterreifen angetreten werden darf. Die allseits geläufige
Formel Winterreifen von Oktober bis Ostern (O bis O) gilt hier als
Anhaltspunkt.
Aber, wie verhält es
sich, wenn ein Verkehrszeichen, zum Beispiel durch einen Baum und
Buschbewuchs oder, weil es zugeschneit ist, objektiv nicht mehr als
solches zu erkennen ist.
Das
Oberlandesgericht Hamm und dort der für uns zuständige Bußgeld-
und Rechtsbeschwerdesenat kam mit einer Entscheidung aus dem Jahre
2010 (Beschluss vom 30.9.2010 AZ OLG Hamm III - 3 RBS 336/09) zu dem
Ergebnis, dass ein Baum und Buschbewuchs, der ein Verkehrszeichen
objektiv nicht mehr erkennen lässt, keine Rechtswirkungen entfalten
kann.
Folgender
Sachverhalt war maßgeblich für die Entscheidungsfindung:
Ein
Betroffener befuhr eine Tempo-30-Zone und überschritt hierbei die
zulässige Geschwindigkeit. Das Verkehrsschild war zum Zeitpunkt
durch Baum und Buschbewuchs nicht mehr erkennbar. Zunächst einmal
verurteilte das Amtsgericht Herford ihn wegen einer
Geschwindigkeitsüberschreitung, da es die Auffassung vertrat, dass
der Betroffene aufgrund der örtlichen Verhältnisse (Verengungen der
Fahrbahn und Erhöhungen, sowie die Art der Bebauung) hätte erkennen
müssen, dass es sich um eine Tempo-30-Zone handelt.
Das
Oberlandesgericht Hamm hob diese Entscheidung auf.
Es
stehe fest, dass für die Wirksamkeit von Verkehrszeichen der
Sichtbarkeitsgrundsatz gilt. Nach diesem Sichtbarkeitsgrundsatz sind
Verkehrszeichen so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein
durchschnittlicher Kraftfahrer beim Einhalten der nach § 1 StVO
erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und flüchtigen Blick
erfassen kann. Sofern vorgenannte Voraussetzungen erfüllt sind,
entfaltet ein ordnungsgemäß angebrachtes Verkehrsschild
Rechtswirkungen, hierbei ist es irrelevant, ob der Verkehrsteilnehmer
diese tatsächlich wahrgenommen hat oder nicht.
Sofern
allerdings Verkehrsregelungen aufgrund von Abnutzungen oder weil sie
zugewachsen sind oder weil sie durch Witterungsbedingungen derart
unkenntlich sind, dass eine Erkennbarkeit im vorgenannten Sinne nicht
mehr gegeben ist, so verlieren sie ihre Wirksamkeit. (Für den
Zeitraum der objektiven Unerkennbarkeit)
Schilder
verlieren auch
dann ihre Wirksamkeit, wenn sie durch Schneebefall unkenntlich
geworden sind, so auch das bayerische Oberlandesgericht (Beschluss
vom 16.5.1984 -1 Ob OWi 127/84).
Sofern
Verkehrsteilnehmer allerdings ein völlig eingeschneites aber in der
achteckigen Schildform noch zu erkennendes Stoppschild „überfahren“
sollten, dürfte sich die Frage stellen, ob ein solches, vor einer
Kreuzung aufgestelltes Schild – aufgrund der Einzigartigkeit in der
Form – nicht nach wie vor Rechtswirkungen entfalten wird.
In
diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie eine wunderschöne
Winterzeit, frohe
Weihnachten, die besten Wünsche für das neue Jahr
und allzeit gute und sichere Fahrt.
Autor
ist Rechtsanwalt Michael Kuhn aus der Kanzlei in Bürogemeinschaft
Rechtsanwälte BÜNTE & KUHN
mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Verkehrsrecht
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